Vor etwas weniger als einem Jahr konnte ich mit dem Namen “Anna Depenbusch” noch gar nichts anfangen. Da meine Partnerin und ich gerne die etwas verrückte Late Night Talkshow “Inas Nacht” mit Ina Müller im TV schauen, bin ich Anfang Dezember letzten Jahres erstmalig auf Anna Depenbusch aufmerksam geworden, als sie den Titel “Kommando Untergang” zusammen mit Ina Müller sang. In dem Song geht es um eines der meist besungenen Themen: Dem Ende einer Beziehung und die Neue an der Seite des EX Partners. Die Umsetzung von Anna Depenbusch ist hingegen jedoch weit entfernt vom Mainstream und hat nichts gemeinsam mit den bisher bekannten und nervigen Herzschmerzsongs, die aus dem Radio erklingen. Nur mit dem Klavier und ihrer berührenden Stimme nimmt sie einen förmlich mit auf eine Reise und man kann ihre Empfindungen und Gefühle nachvollziehen, ja regelrecht so stark nachempfinden, dass neben Gänsehaut die ein oder andere Träne ihren Weg über die Wange sucht. So kurz vor Weihnachten war dann auch das erste Weihnachtsgeschenk ausgewählt: Die neue CD von Anna Depenbusch “Die Mathematik der Anna Depenbusch” fand ihren Weg von Amazon in meinen Briefkasten und kurze Zeit später unter den Weihnachtsbaum.
Eher zufällig entdeckte ich dann vor wenigen Wochen mehrere Plakate, die auf ein Konzert am 25.10.2011 in der Centralstation in Darmstadt hinwiesen. Der Kartenpreis war mit ca. 24 EUR wirklich sehr angemessen und so erwarb ich direkt auf der Homepage der Centralstation 2 Karten mit Sofortdruck. Der Preis ist dort sogar einige Euro günstiger als bei den großen Tickethändlern im Netz und man konnte direkt die passenden Plätze buchen, wovon es nicht viele gab: Nur schätzungsweise 400 Sitzplätze waren im Veranstaltungssaal des 3. OG auszumachen. Nach Auswahl der Sitzplätze und Zahlung mit Kreditkarte ließen sich die Tickets ausdrucken. Empfehlenswert ist es, die Tickets davor zu speichern, damit sie bei Verlust einfach wieder ausgedruckt werden können.
Als Vorbereitung auf das Konzert erwarb ich dann noch das Debütalbum “Ins Gesicht”, welches wir vergangene Woche auf den Weg in den Bayernurlaub im Auto hörten. Da ich hier jedoch das Konzert und nicht die CD bewerte, verweise ich auf die sehr guten Rezessionen bei Amazon, die für sich sprechen.
Die letzte CD, “Die Mathematik der Anna Depenbusch in Schwarz-Weiß”, hatte ich bewusst noch nicht gekauft, da ich den Unterschied zwischen den bisherigen Studioversionen und den neuen bzw. eigentlich alten Interpretationen zum ersten Mal Live genießen wollte.
Gegen 19:30 betraten wir den Saal im 3. OG der Centralstation. Anders als auf einem großen Rockkonzert, fand hier eine niveauvolle Bewirtung mit feinen Weinen statt. Es waren Besucher aller Altersgruppen vertreten. Die Bühne war deutlich erhöht, so dass wir aus der 10. Reihe auch noch freie Sicht hatten. Pünktlich um 20 Uhr betrat Anna Depenbusch unter tosendem Applaus die Bühne. Schlicht und unauffällig bekleidet, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden und etwas schüchtern lächelnd, wirkte sie wie eine Schulabgängerin, die ihren ersten Auftritt vor großem Publikum hat. Ihre 34 Jahre sieht man ihr überhaupt nicht an. Neben dem riesigen Flügel wirkte sie klein und zerbrechlich.
Aus ihren selbst komponierten Liedern spricht jedoch einiges an Lebenserfahrung und ihre zarte, zerbrechliche Stimme kann auch kraftvoll und stark wirken, sobald es angebracht ist. Dann wirkt sie auch gar nicht mehr so zerbrechlich, “haut” in die schwarz-weißen Tasten und bezwingt den Flügel, während das Publikum eine Gänsehaut bekommt. Nicht zuletzt trug dazu auch die intime Atmosphäre in dem kleinen Saal bei, sowie die dezente Beleuchtung. Anna Depenbusch passt in keine Schublade, da sie sich zumindest im Stil ihrer Songs nicht festlegt. Vom flotten Popsong wie “Alles auf Null” oder “Wir sind Hollywood”, über einfühlsame Balladen wie “Kommando Untergang” bis hin zur “Haifischbarpolka” beherrschte sie jede Stilrichtung perfekt und brachte die dazu passende Stimmung rüber. Mal ist man vor Traurigkeit den Tränen nahe, mal bringt sie einen lauthals zum Lachen oder man hörte ihr einfach nur leise zu.
Zwischen den Liedern erzählt sie lustige Geschichten zu deren Entstehen oder erzählt von ihrer Auszeit in Island. Alles mit viel Humor und Selbstironie. Im Vorfeld stellte ich mir die Frage, warum sie ausgerechnet nach Darmstadt kam. Die Antwort darauf gab sie freiwillig indem sie erklärte, dass sie dort vor einigen Jahren bei einer Band als Backgroundsängerin in Lederkluft aufgetreten sei und dieses Mal eigene Songs präsentieren wollte. Aus dem Namen der Band macht sie jedoch ein Geheimnis, aber man muss ja nicht alles wissen.
Das Publikum sollte ebenfalls bei einigen Liedern aktiv werden. Mit ihrem Charme schaffte sie es spielend, eine große Beteiligung zu erreichen wie z.B. beim Song “Madame Clicquot”, bei dem sie darum bat, die Schlüsselbunde hervorzuholen und im Takt zu schütteln. Bei “Alles Auf Null” durften wir mitsingen und uns sogar beliebig zwischen 3 Tonlagen entscheiden.
Selbst kleine Pannen bescherten ihr tosenden Applaus:
Die erste passierte, als sie den Flügel als Schlagzeug missbrauchte und mit den Handflächen den Takt zu “Alles auf Null” mitklopfte. Kurz darauf hörte man ein knackendes Geräusch. Sie hielt kurz inne, guckte unter den Flügel und holte ein längliches, hölzernes Teil hervor. Das Publikum lachte und sie legte das Teil mit der Bemerkung “Ich glaube, das brauchen wir nicht” zur Seite und machte einfach weiter, was mit großen Applaus begleitet wurde.
Als 2. Zugabe spielte sie “Wir sind Hollywood” auf der Gitarre und da wollte es auch nicht so Recht klappen und sie musste kurz abbrechen. Charmant holte sie dann aus, um noch einmal die Geschichte zu erzählen, als ihre Freundin ihre Gitarre bei ihr vergaß und sie mit nur einem Finger eine Seite griff und so einen ihrer Songs komponierte. Den Rest von “Wir sind Hollywood” spielte sie dann mit im Takt klatschenden Publikum zu Ende.
Leider war da das Konzert auch schon vorbei und der Blick auf die Uhr überraschte mich schon: Mit Pause dauerte das Konzert 2 1/2 Stunden und die Zeit verging wie im Flug. Ein großes Lob an Anna Depenbusch für ein tolles Konzert, was ich in der Form und Intensität noch nie erlebt habe.
Dem versprochenen Folgebesuch im nächsten Jahr werden wir auf jeden Fall wieder beiwohnen.